Technologiedefensive des Ministeriums
oder: die Verabschiedung des Staates aus dem Bildungsauftrag
Im Sommer des letzten Jahres liess die Frau Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer eine Art Rechenschaftsbericht zum Thema Schulbereich verschicken: "Bilanz 1998 Ausblick 1999". Unter der Rubrik "Fortführung der Technologieoffensive" war der folgende Absatz zu lesen:"Alle weiterführenden Schulen sind vernetzt und haben einen Internetzugang. Bis zum Jahr 2000 sollen alle 6.200 Schulen einen Internetanschluss haben." Diese Bilanz zum Thema Technologieoffensive ist eines der schönsten Beispiele für die Aussage des Kollegen Gerhard Zenaty in der letzten "AHA-es"-Ausgabe Nr. 3 vom Mai 1999: "Zum anderen haben wir es auch im Bereich der Bildung ähnlich wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen mit einer schleichenden Verabschiedung des Staates aus seinen traditionellen Verantwortlichkeiten zu tun.
Dies geschieht im Namen der Privatisierung das österreichische Zauberwort hierfür heißt Schulautonomie." Die besagten Internetanschlüsse sind nämlich den Schuldirektoren und EDV-Kustoden zu verdanken, die sich auf privates "Sponsoring" verstehen.
Von da an beginnt die Technologiedefensive des Unterrichtsministeriums. In einem Rundschreiben des Zentralausschusses 5/98 (Wien, 28. September 1998) ist zu entnehmen, dass trotz schwieriger Zeiten bei den EDV-Kustodiaten eine Verbesserung erreich
t werden konnte. Der EDV-Kustos ist ab 01.01.1999 ausschliesslich für die padagogisch-fachliche Betreuung der IT-Arbeitsplätze der Lehrer und Schüler zuständig. Es werden nur mehr jene Tätigkeiten abgegolten, welche pädagogisch-fachlichen Charakter haben. Der zusätzliche Budgetansatz für die Betreuung von Hardware und Software wird an die Anzahl der Schülerarbeitsplätze gebunden (AHS z.B. ATS 75.000 jährlich bei 21 bis 40 Schülerarbeitsplätzen). Diese Mittel werden der Schule zusätzlich (UT8) zur Verfügung gestellt.Es können auswärtige Firmen verpflichtet werden oder der Kustos selbst kann die Arbeit übernehmen. Diese Verhandlungsergebnisse des vergangenen Jahres waren ein längst überfälliger Schritt, denn die Arbeitsvorgänge der ehemals so bezeichneten EDV haben sich um Arbeitsvorgänge mit Zugriff auf globale elektronische Netze und multimediale elektronische Anwendungen erweitert. Als Sammelbegriff für alle diese Aktivitäten wurde daher der Begriff "Informationstechnologoie" (IT) gewählt.
Nunmehr ist seit dieser Gesetzesnovellierung ein halbes Jahr vergangen und die Budgetgelder für die "Informationstechnologie" sind vom Unterrichtsministerium an die Landesschulräte immer noch nicht zugewiesen worden. Das Unterrichtsministerium lässt verlauten, dass sich die Erfassung sämtlicher Computerarbeitsplätze für die AHS verzögert hätte und deshalb die Geldzuweisung noch nicht erfolgen könne.
In einem entsprechenden Erlass (GZ 4.173/2-III/D/99 EDV/IT-Kustodiat) hingegen ist wiederum zu lesen: "Für das Schuljahr 1998/99 Budgetjahr 1999 gelten die von den Fachabteilungen des Bundesministeriums für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten erhobenen Zahlen aus dem Schuljahr 1997/98. Die Regelung tritt rückwirkend mit 1. Jänner 1999 in Kraft."
Die Absicht ist durchschaubar: Man löse sich von jeglicher Verantwortung und rette sich zuerst über die Nationalratswahl am 3. Oktober des heurigen Jahres und dann gleich in das Budgetjahr 2000.
Die Jahr-2000-Problematik ist dann gleich das legendäre "Tüpfelchen" auf dem "i". Mit einer horrenden Checkliste werden die Direktionen angewiesen, die Behebung von potentiellen Störungen in elektronsich gesteuerten Systemen (nicht nur in Computern) vorzunehmen. Auch für diese Zwecke bleiben die Budgetmittel für solche Hard- und Software-checks aus, obwohl die Bundesregierung per Beschluss am 27.04.1999 festgelegt hat, dass die Ressorts durch geeignete Massnahmen einen sicheren und reibungslosen Jahrtausendwechsel gewährleisten sollen. Und dazu gehört auch die Bereitstellung der erforderlichen finanziellen Mittel.
Da diese Entwicklung mindestens bis in den Herbst hinein anhält, kann man die EDV-Kustoden nur auffordern, ab sofort die Betreuung des EDV-Bereiches nur noch in jenem Ausmaß durchzuführen, das der jeweiligen Einrechnung in die Lehrverpflichtung entspricht.Dem Dienstgeber muss endlich vor Augen geführt werden, welch enormer Aufwand mit der Einrichtung und der Aufrechterhaltung der Betriebsbereitschaft von EDV-Anlagen verbunden ist. Es ist jederzeit mit einem Stillstand von etlichen Netzwerken (inclusive der Verwaltungsnetzwerke!) an vielen Schulen zu rechnen, was nicht nur den Informatikunterricht in seiner Substanz träfe, sondern auch diverse Trägerfächer, die mit dem Medium Internet inzwischen neue Perspektiven entdeckt haben. Das Unterrichtsministerium vertraut weiterhin blindlings der Geduld und Ausdauer unserer EDV-Kustoden. Wie lange noch?